Ist Agilität effizient? – Was es braucht, damit Sie agil ans Ziel kommen

„Agil“ ist in aller Munde. Ist die Agilität die aktuelle Buzzword-Sau, die gerade durch die Management-Magazine gejagt wird? Was versuchen Entscheider in den Firmen zu erreichen, wenn sie sich der Agilität zuwenden und die Implementierung in ihren Organisationen auf die Agenda setzen? Ist „Agil“ tatsächlich die richtige Antwort auf die Herausforderungen mit Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Mehrdeutigkeit, vor denen Verantwortliche in den Firmen stehen? Wie so oft, es kommt darauf an!

Was genau bedeutet agil? 

Agil nennen wir ein iteratives Vorgehen, in dem ein interdisziplinär zusammengesetztes Team die Verantwortung für ein Produkt mit einem möglichst konkreten Ziel übernimmt. Es verständigt sich darauf, in regelmäßigen Abständen, in sogenannten Sprints die erreichten Fortschritte zu prüfen und zu lernen. Das Team entscheidet über die nächsten Schritte, wie es sich dem Ziel weiter nähern will. Die Iterationen erlauben, unterwegs neu erkanntes Wissen in folgende Entscheidungen einzubeziehen und Kurswechsel auf dem Weg vorzunehmen. Das Vorgehen erlaubt, relativ schnell auf neue Erkenntnisse zu reagieren, die anfangs noch nicht vorlagen. Unser Lernen zum Umgang mit dem Corona-Virus kann hier als anschauliches Beispiel dienen.

In Iterativen Inkrementen zum Ziel

Agilität oder Effizienz?

Gerne wird in Unternehmen Agilität in einem Atemzug mit Effizienz genannt. Hier droht ein großes Missverständnis. Etwa: „Wir werden jetzt agil, weil wir uns eine Effizienzsteigerung in unseren Prozessen erhoffen!“ Vorsicht! Das Konzept der Effizienz einerseits und das Konzept der Agilität andererseits stammen aus zwei völlig unterschiedlichen Auffassungen von Problemen und ihren Lösungen.

Wann ist Effizienz möglich?

Dann, wenn ich genau weiß, wo ich ankommen will, wo ich gerade bin, welche Optionen ich habe und ich mich bewusst für einen Lösungsweg entscheiden kann. Je nachdem, ob Zeit, Budget oder Qualität im Vordergrund stehen, wähle ich die Parameter, die es zu optimieren gilt, zum Beispiel die Kosten oder den Personaleinsatz. 

Was tun, wenn Effizienz nicht möglich ist?

In effizienten Strukturen müssen eine ganze Reihe von Parametern kontrolliert werden können: Ausgangssituation, Ziel, Strategie, eingesetzte Ressourcen, etc. Dabei ist nicht die Zahl der Parameter relevant, sondern das grundsätzliche Verständnis, Parameter umfassend kontrollieren bzw. steuern zu wollen und zu können. Nach Dave Snowden bewegen wir uns hier in der komplizierten Welt. Hier erlaubt ein Expertenwissen, in Kenntnis aller relevanten Kenngrößen Prognosen und Entscheidungen zu treffen, die allgemein als „richtig“ oder „falsch“ bewertet werden.

Perlen vor die Säue? Agile Methoden in der komplizierten Welt

Agile Methoden können in der komplizierten Welt durchaus Anwendung finden. Allerdings ersticken agile Teams häufig an den Erwartungen ihrer kompliziert denkenden Umgebung, die sich qua Gewohnheitsrecht auf ihr Expertenwissen beruft. Die Experten können sich nur sehr wenige, richtige Vorgehensweisen vorstellen und senken sofort den Daumen über dem Team, das es wagt, von seiner Freiheit Gebrauch zu machen und ungewöhnliche Wege beschreitet. Sobald die Experten ihre Effizienzkriterien anlegen, kostet jeder vermeintliche Umweg Geld.

Wozu also ein agiles Team, interdisziplinär mit viel Wissen und Kompetenzen ausgestattet? Warum soll es immer wieder neu zusammenkommen, aus den gemachten Erfahrungen des letzten Sprints Erkenntnisse ziehen und über das weitere Vorgehen entscheiden?

Kommt jetzt die Ära der agilen Methoden?

Seit uns Stephen Hawking das 21. Jahrhundert als das Jahrhundert der Komplexität vorhersagte, schlagen die Belege für komplexe Herausforderungen immer dichter um uns herum ein: Klimawandel und Bevölkerungswachstum, das Ende des Industriezeitalters und jetzt die Covid-19-Pandemie. Anders als in der komplizierten Welt, so lehrt uns Dave Snowden mit seinem Cynefin-Modell, kommen wir in der komplexen Welt nicht mehr mit den Experten allein weiter! Vielleicht gelingt uns noch eine solide Standortbestimmung eines Status Quo, aber schon bei der präzisen Zielvorstellung, wo wir am Ende der Entwicklung herauskommen wollen, scheiden sich die Geister. Und wenn es darum geht, Klarheit über „den richtigen“ Weg zu finden, führen uns die Experten und die Best Practices in den Wald.

Was sind die Stärken agiler Teams?

Snowden sagt, die Praxis wird „emergent“! Sie tritt im Laufe der Arbeit hervor. Wir müssen Schritte ins Ungewisse wagen, auch wenn sie hinterher nicht als richtig bezeichnet werden können. Richtig und falsch sind nun keine hilfreichen Feststellungen mehr, was zählt sind die Erfahrungen und die Erkenntnisse, die wir aus zurückliegenden Entscheidungen und ihren Auswirkungen ableiten. Hier kommen die Stärken agiler Teams zum Tragen: Unterschiedliche Kompetenzen tragen zu einer breiten Basis für neue Ideen bei. Die Iteration sorgt für regelmäßiges Hinterfragen: Was wollen wir als nächstes machen? Was erscheint uns als zielführend? Worauf wollen wir uns verständigen? Und wann kommen wir wieder zusammen, um uns über unsere Erfahrungen auszutauschen?

Wieso bedeutet Agilität Mut?

Ja. Es braucht den mutigen Abschied von der Sicherheit einer Expertise. Agilität erfordert Mut zu Transparenz und Offenheit: Wir müssen uns die Ergebnisse unserer früheren Entscheidungen und Schritte schonungslos offenlegen, wenn wir maximale Erkenntnis gewinnen wollen. Wir brauchen Respekt für die unterschiedlichen Teilnehmer*innen in unserem Team, für ihre diversen Kompetenzen und abweichenden Wahrnehmungen des vermeintlich Gleichen. Mit diesem Respekt gelingt auch der Fokus auf das Lernen. Warum? Wir fahnden nicht mehr nach dem Verursacher eines Fehlers, sondern nach der Erkenntnis, die uns das Resultat früherer Entscheidungen möglich macht.

Liebe Entscheider in den Organisationen! Wenn Sie die Grenzen Ihrer Expertise anerkennen und Sie sich auf einen Weg machen wollen, den sie nicht genau kennen, dann ist „agil“ eine Haltung, die Ihnen und Ihrer Organisation helfen wird. Wenn Sie allerdings Schwierigkeiten haben, die Grenzen Ihres Wissens und Ihrer Kompetenz wohlwollend zu akzeptieren, dann sollten Sie besser die Finger davon lassen.

Noch Fragen?

Wenn Sie Fragen zur Agilität und möglichen Vorgehen haben, sprechen Sie mich an. Ich beteilige mich gerne an Ihrem Weg zu Ihrer Lösung – im Zweifel durch konstruktive Fragen! Vereinbaren Sie jetzt gleich einen Termin!

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